Episoda und Kochrezept

Rangali und Thunfisch

Rangali Island (Malediven), Westseite der Hauptinsel, Sonntag, 4. Dezember 2011

Kaum denkt man an das Paradies, huschen einem die Worte davon. Es ist als fänden sie keine Möglichkeit, am Ufer von Eden anzudocken, als würden sie ohne Unterlass wieder ins Weite hinaus gespült. Könnte es sein, dass der Herrgott damals nicht Adam und Eva aus seinem Garten jagte, sondern die Sprache? War der Sündenfall in Wirklichkeit ein Sprachfall?

Über das Paradies gibt es nicht viel zu sagen. Denn das Sagen bringt Eden zum Verschwinden – wie ein Stück Kuchen von einem Teller. Aber kann so ein Insel-Bisschen tatsächlich Paradies sein? Ein wenig Strand, ein paar Kokospalmen, ein unbeflecktes Meer? Nicht was da ist, macht das Paradies zum Paradies, sondern was nicht da ist. Folglich ist es wohl auch die Vertreibung, durch die das Paradies erst wird. Kaum öffnen wir den Mund, ist es da und weg zugleich. Unsere Sprache bringt es hervor und lässt uns zugleich aus ihm verschwinden.

Es gibt verschiedene Wege, sich auf Fischfang zu begeben – auch auf den Malediven. Es führen indes nicht alle Methoden auch verlässlich dazu, dass am Schluss ein Gelbflossenthunfisch auf dem Teller liegt. (Iru Fushi, Dezember 2011)

Thunfisch Dhon Riha – Kokoscurry mit Pandanus, Malediven-Chili und Thunfisch

Man kann sich fragen, ob es so etwas wie eine Küche der Malediven überhaupt gibt. Sicher lassen sich einzelne Gerichte finden, die als Spezialitäten dieses oder jenes Atolls gelten können – eine eigenständige Küchentradition aber, im Sinne einer Reihe von zusammenhängenden kulinarischen Prinzipien und Techniken, wurde für uns jedenfalls nirgends spürbar. Was auch immer uns auf den Inseln als «Maledivische Küche» vorgesetzt wurde, Curry-Gerichte zumeist, hatte seine Ursprünge eindeutig in Kochtraditionen aus Sri Lanka oder dem südlichen Indien – bereichert von Praktiken, die mit den internationalen Köchen der Touristen-Ressorts auf die Inseln gelangt sein dürften. Aber vielleicht findet das wahre Gaumen-Leben der Malediven ohnehin nicht dort statt, wo man die Fremden auch aus dem Flieger steigen lässt. Zum Beispiel wird einem auf den Touristeninseln nie sogenannter «Maldive Fish» vorgesetzt – eine Spezialität aus getrockneten, gekochten, gewürzten und fermentierten Fischflocken, die vor allem auch in Sri Lanka sehr beliebt ist. In Europa kann man sich «Maldive Fish» allerdings leicht in jedem Laden mit Waren aus Sri Lanka beschaffen (gelegentlich wird er dort auch unter dem Namen umbalakaḍa, උමිබලකඩ angeboten).

Ein Koch aus Male führt Gäste in die Eigenheiten der maledivischen Küche ein, die so eigen allerdings gar nicht sind. (Iru Fushi, Dezember 2011)

Aber was haben die meist klitzekleinen Inseln der Malediven denn überhaupt an Essbarem zu bieten? In erster Linie natürlich Fisch und Meeresfrüchte aller Art, die auf hoher See und in den Korallenriffs gefangen werden. Nebst dem allseits beliebten Jobfisch oder Red Snapper wird einem vor allem immer wieder (Gelbflossen)-Thunfisch vorgesetzt. Der Fang von Schildkröten ist unterdessen ebenso verboten wie die Jagd auf Haifische, die vor allem wegen der von den Chinesen so hoch geschätzten Haifischflossen lukrativ gewesen sein muss. Ausserdem wachsen auf den Inseln Bananen, Brotfrüchte, Papaya – und am Strand natürlich Kokosnüsse. Der Hibiskus, der auf den Inseln wie Unkraut zu wachsen scheint, wird offenbar kulinarisch überhaupt nicht genutzt – ja nicht einmal als Tee getrunken. Alles andere ist, in leichter Vergröberung formuliert, Importware.

Die Ordnung der Dinge: Die Zutaten für zwei Malediven-Curry's, vorbereitet als ginge es um eine Kochshow am Fernsehen. (Iru Fushi, Dezember 2011)

Im Rahmen eines Kurses konnten wir einen Koch aus Male fragen, ob es denn auf den Malediven nicht ein Gewürz gäbe, das besonders typisch für die Inseln sei. Stolz kam er mit einem Körbchen voller Chilis aus der Vorratskammer zurück – überzeugt, dass diese auf den Inseln ihren Ursprung hätten. Immerhin zeigte er uns nicht die in Asien hauptsächlich verwendeten, meist länglichen Chilis der Familie Capsicum annuum, sondern rundliche Exemplare der Familie Capiscum chinense. Diese Chilis sind vor allem in der Karibik verbreitet, von wo aus sie mit den freigelassenen Sklaven in erster Linie nach Afrika kamen – wie sie zu einem ‹autochthonen› Chili der Malediven werden konnten, wäre sicher eine interessante Geschichte. Die Chilis der Familie Capsicum chinense haben ein eigenes, fruchtiges Aroma, das den Speisen einen ganz speziellen Charakter verleiht. Auf Dhivehi wird dieser Chili roamirus oder tolhimirus genannt.

Der Koch zeigte uns ausserdem seine Curry-Bäumchen (auf Dhivehi hikan’dhi faiy) und ein paar Pandanus-Sträucher (raan’baa faiy), die im Garten hinter seiner Küche wuchsen. Damit sind drei Würzzutaten genannt, die in vielen Rezepten der Malediven-Küche eine wichtige Rolle spielen. Auch Ingwer kommt öfters vor und ausserdem werden verschiedene Gewürze in Pulverform eingesetzt.

Der ‹einheimische› Chili der Malediven: Capsicum chinense, auf Dhivehi roamirus oder tolhimirus genannt. (Iru Fushi, Dezember 2011)

Ob man das Thunfisch-Curry, das wir auf diesen Seiten vorstellen wollen, wirklich «maledivisch» nennen will, sei dahingestellt. Auf jeden Fall besteht es zur Hauptsache aus Zutaten, die in der Küche der Insel immer wieder eine Rolle spielen und teilweise auf den Inseln selbst produziert werden: Thunfisch, Kokosnuss, Chinense-Chili, Pandanus und Curryblätter. Ausserdem tauchen Rezepte ähnlicher Art immer wieder auf wenn man im Internet in Sachen Küche der Malediven recherchiert (ein maledivisches Kochbuch scheint es bisher nicht zu geben). Und das Gericht hat einen Namen in Dhivehi, der Sprache der Malediven: Dhon Riha. Riha bedeutet «Curry» und dhon wird mit «schön», «reif» oder «gelblich» übersetzt – wobei hier wahrscheinlich «gelblich» gemeint ist.

Die meisten Rezepte der maledivischen Küche arbeiten in erster Linie mit getrockneten und gemahlenen Gewürzen, viele auch einfach mit beliebigen Curry-Pulvern. Wir schlagen hier die Herstellung eines eigenen Pulvers vor, was verschiedene Vorteile hat: Erstens ist selbst gemachtes Pulver immer frischer als gekauftes, zweitens kennt man seine Zusammensetzung, und drittens können die Gewürze vor dem Mahlen geröstet werden, was ihr Aroma verstärkt. Man kann das nachfolgende Rezept natürlich auch mit einer industriellen Curry-Mischung kochen – das Resultat lässt sich aber dann deutlich weniger genau steuern. Wir geben hier die Proportionen für eine relativ grosse Menge Pulver wieder – da wir die Mischung in unserer Küche auch für andere Zubereitungen verwenden (zum Beispiel für Dip’s mit Quark). Die Menge aller Zutaten lässt sich jedoch bruchlos auch durch 2 oder durch 4 teilen.

Natürlich sollte man im Grunde keinen Thunfisch essen (vergleiche dazu auch HOIO’S Thunfisch-Seite) – doch was ein richtiges Malediven-Essen sein will, muss wohl auch ökologisch ein wenig fragwürdig sein. Man kann allerdings problemlos auch andere Fische und Meeresfrüchte in derselben Currysauce gar ziehen lassen – Lachs oder Garnelen zum Beispiel. Eigentlich schmeckt uns die Version mit ebenfalls nur ganz kurz gegarten Lachstücken fast noch besser als die Thunfisch-Variante – von den Malediven haben wir uns dann allerdings ein gutes Stück weiter entfernt.

 Zutaten für 170-180 g Malediven-Masala

40 g Korianderfrüchte
16 g Kreuzkümmel
20 g Fenchelsamen
20 g Zimtstange, leicht zerbrochen
40 g Bockshornklee
20 g Pfeffer
4 g getrocknete Chilischote
12 g Kurkuma, gemahlen

Zubereitung Masala

Eine Bratpfanne (am besten eine nicht beschichtete Stahlpfanne oder eine Pfanne aus Gusseisen) nicht zu stark erhitzen und die Koriandersamen unter häufigem Rühren und Schütteln rösten bis sie eine leicht bräunliche Farbe angenommen haben und stark duften. Auf selbige Art nacheinander die folgenden Gewürze rösten: Kreuzkümmel (bis er duftet und knackt), Fenchelsamen (bis sie etwas dunkler werden und duften), Zimtstangen (bis sie dunklere Verfärbungen aufweisen), Bockshornklee (bis die Samen dunkelbraun sind), Pfeffer (bis er duftet und herum springt) und zum Schluss bei nochmals leicht reduzierter Hitze die Chilis (bis sie duften und etwas dunkler sind).

Kurkuma unterheben, alles gut vermischen, abkühlen lassen und am besten in einer elektrischen Kaffeemühle zu einem feinen Pulver zermahlen.

Der Thunfisch darf höchstens zwei bis drei Minuten in der Sauce gar ziehen – sonst schmecken die Stücke ledrig und trocken. (Riederalp, Januar 2012)

Zutaten (für 2 bis 4 Personen)

500 g Thunfischfilet (Gelbflossenthun)
Etwas schwarzer Pfeffer, frisch aus der Mühle
2 EL Rapsöl
1 Zwiebel, fein gehackt
4 Zehen Knoblauch, fein gehackt
1 Stück Ingwer von der Grösse eines kleinen Hühnereis (50g), geputzt und fein gehackt
30 cm Pandanusblatt, gewaschen, in 1 cm dicken Streifen
1 ‹Malediven-Chili (siehe oben), entkernt und möglichst fein gehackt (ev. auch nur ½ Chili)
5 Zweiglein Curryblätter (ca. 1 Tasse Blätter)
1 gehäufter TL Malediven-Masala (siehe oben)
1 TL Salz
¼ Kokosnuss (50-75 g), frisch geraspelt
3 Tomaten, geschält und gehackt (oder 3 dl Qasser + 2 dl Wasser)
2 bis 3 kleinere Bilimbi, in feinen Streifen (oder alternativ 1 grüne, saure Mango, geschält, entkernt, in feinen Streifen)
3 dl Kokosmilch

Man kann die Tomaten auch weglassen, respektive durch 3 dl Wasser ersetzen. Mit Tomaten schmeckt das Gericht unserer Meinung nach etwas europäischer, milder, harmonischer – ohne etwas rassiger, asiatischer.

Zubereitung

Thunfisch frühzeitig aus dem Eisschrank nehmen, in ca. 2 cm dicke Würfel zerschneiden und allseits leicht mit Pfeffer bestreuen. Öl erwärmen. Zwiebel, Knoblauch und Ingwer andünsten bis die Zwiebel leicht glasig ist. Pandanus, Chili und Curryblätter beigeben, gut verrühren und kurz anziehen lassen. Malediven-Masala, Salz und Kokosraspel untermischen.

Mit den Tomaten und 2 dl Wasser ablöschen. Mangos beigeben. 10 Minuten köcheln lassen bis die Sauce leicht eingedickt ist. (Bis zu diesem Punkt lässt sich der Thunfisch Dhon Riha gut vorbereiten, die nächsten Schritten sollten dann unmittelbar vor dem Essen erfolgen). Kokosmilch beigeben und 5 Minuten unter ständigem Rühren köcheln lassen bis sich alle Zutaten gut verbunden haben. Mit Salz abschmecken und ev. die Stiele der Curryblätter entfernen.

Thunfischstücke in die Sauce heben, Deckel aufsetzen und 2 bis höchstens 3 Minuten köcheln lassen. Der Thunfisch sollte im Innern noch deutlich rosa bis rot sein, sonst schmeckt er trocken und etwas ledrig.

Natürlich haben die Bewohner der Malediven, wie im Übrigen ja auch die Inder, Sri Lanker etc. eine tiefe Abneigung gegen den Konsum von rohem Fleisch. Sie würden ihren Thunfisch Dhon Riha also ganz bestimmt nicht in der hier vorgestellten Weise essen. Unsere eher europäische Variante, die auch gut im Restaurant eines Ressorts serviert werden könnte, lässt sich allerdings leicht in ein gewissermassen «einheimisches» Rezept abwandeln. Es reicht, dass man den Thunfisch weitere zehn Minuten oder länger in der Sauce schmoren lässt und die Stücke ev. gar mit dem Kochlöffel in kleinere Flocken zerlegt. So halten es übrigens auch alle Rezepte, die wir für Dhon Riha auf dem Internet gefunden haben: Sie lassen den Thunfisch wenigstens eine halbe Stunde in der Sauce schmoren.

Der Thunfisch schmeckt am besten, wenn er innen noch rosarot bis rot ist.

 

⬆ nach oben